wings

Images by Daniel Jarosch

2020. Federn, Wachs auf Samt. je 30 × 30 cm
2020. Federn auf Bett. 90 × 40 x 200 cm
2020. feathers, wax on velvet. 30 × 30 cm each
2020. feathers on bed. 90 × 40 x 200 cm


[D] Diese Arbeit weckt eine Erinnerung oder Assoziation. Im Praxiszimmer des Psychoanalytikers Kirkland Vaughan in New York – das ich lediglich aus Filmaufnahmen kenne – befindet sich ein Kunstwerk, das sich kritisch mit der Kolonialherrschaft und der andauernden traumatisierenden Geschichte des Rassismus der USA auseinandersetzt. Einige typische aufgeplatzte Baumwollfruchtknoten, aus denen die weiße Wolle hervorquillt, sind in einer Serie von vielleicht 4 × 4 hinter Glas angebracht. Judith Klemenc zeigt ein von Federn übersätes Bett. Urszene der Hervorbringung, erschüttert von etwas Gewaltsamen, das wir nicht sehen. Aber ein Prozess jedenfalls, bei dem Federn gelassen wurden. Einige dieser Federn – 3 × 3 = 9 – sind einzeln erfasst und hinter einen Rahmen gebracht. Die neuen Musen. Gefangen. Ausgestellt. Separiert voneinander. Wer hat je eine einzelne Feder fliegen sehen – eine Feder fällt. Aber Federn in ihrem Zusammen, in ihrem Miteinander, in einer komplexen Assemblage eines Flügels können fliegen. Die Schönheit der einzelnen Muse und das Erschütternde des Einzelschicksals (einer unterdrückten Frau*, eines versklavten Menschen usw.) stehen in einem Spannungsverhältnis zu den Vielen. Wie können wir sie je sehen, ganz sehen, in allen Facetten, in allen Dimensionen, in allem, was sie ausmacht, in all ihrer Verletzlichkeit und Stärke?

[EN] This work evokes a memory or association. In the practice of the psychoanalyst Kirkland Vaughan in New York – which I only know from film footage –, there is a work of art that critically examines colonial rule and the ongoing traumatizing history of racism in the USA. Some typical burst cotton fruit knots from which the white wool emerges are placed behind glass in a series of perhaps 4 × 4. Judith Klemenc shows a bed strewn with feathers. Primal scene of production, shaken by something violent that we do not see. But a process, at any rate, in which feathers were left behind. Some of these feathers – 3 × 3 = 9 – are individually captured and placed behind a frame. The new muses. Captured. Exhibited. Separated from each other. Who has ever seen a single feather fly – a feather falls. But feathers, in their combination, in their interaction, in a complex assemblage of a wing, can fly. The beauty of the individual muse and the shattering of the individual fate (of an oppressed woman, an enslaved human being etc.) stand in a tense relationship to the many. How can we ever see them, see them fully, in all facets, in all dimensions, in everything that makes them up, in all their vulnerability and strength?

Elisabeth Schäfer